Das Zeichen der Isis by Melanie Metzenthin

Das Zeichen der Isis by Melanie Metzenthin

Autor:Melanie Metzenthin [Metzenthin, Melanie]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: ‎978-3-492-9813-1‎
Herausgeber: Fahrenheitbooks
veröffentlicht: 2015-06-02T16:00:00+00:00


Afrikas Seele

In den folgenden Tagen veränderte sich das Leben in Djeseru-Sutech. Die friedliche Ruhe wich der Geschäftigkeit eines Ameisenhaufens. Es war nicht die erste Karawane, deren Vorbereitungen ich miterlebte. Anders als sonst sollte sich diese Reise jedoch über Wochen erstrecken und vorbei an den Katarakten des Nils bis tief hinunter ins alte Goldland der Pharaonen führen. Für mich bedeutete die Unternehmung ein großes Abenteuer. Numira hatte mir von den Wundern Nubiens erzählt, den stolzen Tempeln Meroës und den Menschen, die dort lebten. Die alte Kandake Amanitore zählte weit über sechzig Jahre, dennoch galt sie als unumschränkte Herrscherin. Kein Mann hätte es gewagt, sich ihr zu widersetzen, seit ihr Gemahl vor ungezählten Jahren ins Land des Westens eingegangen war.

Am Tag der Abreise verabschiedete Talonas sich liebevoll von seinen Töchtern. Die Mädchen waren es gewohnt, dass ihr Vater sie vorübergehend verließ. Es flossen keine Tränen. Der Abschied von mir und Lucius fiel den Mädchen deutlich schwerer. Das erstaunte mich, denn eigentlich war ich eine Fremde für sie. Oder lag es daran, dass Kija Lucius so sehr ins Herz geschlossen hatte?

Wie bei allen Reisen durch die Wüste, die ich bislang unternommen hatte, stand für mich eine Kamelsänfte bereit. Dennoch gehörte auch die Stute Sati zu unserem Tross. Talonas meinte, ich würde es noch zu schätzen wissen, wenn mir am Ziel unserer Reise mein Pferd zur Verfügung stünde. Mein Pferd – ich hatte Sati bis dahin nie als mein Eigentum betrachtet. Sie war die Stute, die Talonas mir geliehen hatte, um sein Versprechen einzulösen.

Numira und die übrigen nubischen Frauen reisten in ähnlichen Sänften wie ich. Mit den vielen Reitern, Kamelen, Sänften und Packtieren hinterließ unsere Karawane einen imposanten Eindruck. Talonas ließ sich von fünfzig seiner Krieger begleiten. Allerdings trug kein einziger von ihnen den blauen Mantel der Wüstenräuber, nicht einmal Talonas selbst. Vermutlich erschien es ihm zu gewagt, sich so offensichtlich zu erkennen zu geben. Aus Erzählungen wusste ich, dass die römischen Truppen sich seit dem Friedensvertrag mit der Kandake Amanishaketo zu Zeiten des göttlichen Augustus nicht weiter als bis hinter den zweiten Katarakt des Nils wagten. Unser Ziel lag hinter der fünften Stromschnelle und würde uns tief ins Herz Afrikas führen. In meinem Gepäck befanden sich zahlreiche unbeschriebene Papyrusrollen, Farben und Pinsel. Wenn ich schon Einblick in eine Welt erhielt, die den meisten Römern für immer fremd blieb, so wollte ich alles Bemerkenswerte festhalten. Nichts sollte dem Vergessen anheimfallen. Nichts aus meiner Vergangenheit, nichts aus meiner Zukunft.

Am ersten Tag kamen wir nur langsam voran. Unser Nachtlager schlugen wir in der Wüste auf. Für die Frauen wurde ein Zelt errichtet, die Männer nächtigten unter freiem Himmel. Es war kein großes Zelt und hatte kaum Ähnlichkeit mit dem von Talonas, das ich bei unserer ersten Begegnung gesehen hatte. Dieses war klein, und es sollte uns lediglich Schutz vor dem kalten Wüstenwind bieten. Dennoch hatte ich mich seit dem Verlust meiner Heimat selten so wohlgefühlt wie an diesem Ort, als ich dicht bei Numira lag, unsere beiden Kinder zwischen uns, und den Geräuschen der Nacht lauschte. Dem Schnauben der Pferde, dem Lachen der Männer.



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